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Fremdheitserziehung und Medienp�dagogik: Apprendre et enseigner avec TV5 (Siegen 2000)

Inhaltsverzeichnis:

TV5 - �berblick, Grunds�tze und p�dagogische Begleitmaterialien
TV5 - Das Fremde als Katalysator des Eigenen und Anlass zur transkulturellen Kommunikation
Holistische Mediendidaktik der Authentizit�t und Aktualit�t

TV5 - �berblick, Grunds�tze und p�dagogische Begleitmaterialien

Der internationale franz�sische Sender TV5 richtet sich �ber Kabel und Satellit (1) an eine halbe Milliarde Fernsehzuschauer auf f�nf Kontinenten und strahlt rund um die Uhr eine Auswahl der besten frankophonen Sendungen aus Frankreich (France 2, France 3), Belgien (RTBF), der Schweiz (TSR), Kanada und Quebec (CTQC) sowie Afrika (CIRTEF) aus. Durch das Variationsspektrum der Ursprungsl�nder und die Vielfalt der dokumentierten Themen illustriert der Sender die multikulturelle Authentizit�t und Aktualit�t der Frankophonie weit �ber die Grenzen unserer unmittelbaren frankophonen Nachbarn hinaus.

Viele der Sendungen, die sich nicht nur thematisch, sondern auch wegen ihrer K�rze (flash d'info, clips chanson, images de pub) f�r einen Einsatz des Mediums Fernsehen im Fremdsprachenunterricht in besonderem Ma�e eignen, werden dar�ber hinaus durch p�dagogische Arbeitsbl�tter und -anweisungen erg�nzt, die kostenlos als Brosch�re, per e-mail oder �ber die Internetst�tte von TV5 bezogen werden k�nnen. Die unterschiedlichen Themen und Aktualit�tsbez�ge werden dar�ber hinaus durch zahlreiche Erg�nzungen im Netz erweitert und in eine komplexe multimodale Lernumgebung einbezogen, die ein ganzheitliches, handlungs- und lernerzentriertes Fremdsprachenlernen in aktuellen Kommunikationssituationen erm�glicht.

Ein Internetforum bietet Lehrern die M�glichkeit, ihre Erfahrungen weltweit auszutauschen, und internationale Wettbewerbe laden Klassen dazu ein, ihre Sprachkompetenz gruppendynamisch, kreativ und adressatenorientiert anzuwenden. 1996 gewann eine Klasse des Max Born Gymnasiums den Wettbewerb Chantez. TV5 lud daraufhin den Lehrer zu einem Kongress der F�d�ration Internationale des Professeurs de Fran�ais nachTokyo ein und gestaltete mit der Schulklasse eine Reportage, die von TV5 wiederum weltweit ausgestrahlt wurde. 1997 erzielte das Gymnasium Albert Schweitzer aus Kassel unter 15.000 Sch�lern aus 450 Klassen, die sich aus 70 verschiedenen Herkunftsl�ndern rekrutierten, den dritten Platz...

Die p�dagogische Abteilung von TV 5 hat ein Handbuch mit dem Titel Apprendre et enseigner avec TV5 entwickelt, das speziell f�r Franz�sischlehrer als Begleitheft zum Einsatz im Unterricht konzipiert wurde und kostenlos unter folgender Bezugsadresse erworben werden kann:

TV5 Paris
Dominique Martineau
19, rue Cognacq-Jay
F-75341 Paris Cedex 07
T�l�phone: 00 33 1 44 18 55 90
Fax: 00 33 1 44 18 48 35
E-mail: [email protected]
Neben einer alphabetischen Auflistung und Beschreibung sowie thematischen Klassifizierung (�missions d'actualit� sur le cin�ma, sur la francophonie, la mode, la publicit�, la jeunesse; �missions litt�raires, culturelles, de soci�t�; Magazines; Journaux t�l�vis�s, etc.) der zur Zeit ca. 60 angebotenen Sendungen enth�lt das Handbuch auch 18 exemplarische Didaktisierungen im Umfang von zwei bis vier Seiten, welche die allgemeinen Lernziele und -inhalte der jeweiligen Sendungen sowie einen methodischen Verlaufsplan (Fiche d'exploitation p�dagogique) darlegen.� Einige didaktische Leitbegriffe, die im Handbuch mit konkreten Inhalten und Aufgabenstellungen verbunden sind,� seien zur Veranschaulichung aufgef�hrt: Le concept de l'�mission..., Le contenu..., Activit�s aux choix avant de visionner le g�n�rique / le journal..., Pour commencer..., Pr�sentations..., Anticipations..., Avec le g�n�rique / l'extrait du reportage..., Avec le sommaire..., Hypoth�ses sur le contenu de l'�mission..., Activit�s avec/sans le son..., Simulation du jeu..., Reconstitution..., Pour aller plus loin..., Prolongements..., Activit�s annexes..., Projet de classe, etc. - Nat�rlich enth�lt das Handbuch auch die technischen Daten �ber die Empfangsm�glichkeiten des Senders sowie die Verwendung der Teletexte.

Gemeinsam mit dem franz�sischen Mediensprachenzentrum CAVILAM (Centres Audiovisuel de Langues Modernes), das sich auf Franz�sisch als Fremdsprache spezialisiert hat, gibt TV5 des weiteren zwei kostenlose Newsletter heraus, die zum Ersten eines jeden Monats �ber e-mail verschickt werden. Interessierte Kollegen k�nnen die Informationsbriefe �ber die Internetst�tte von TV5 abonnieren bzw. bei nicht vorhandenem Internetanschluss auch postalisch �ber die TV5-Repr�sentanz in Deutschland erhalten:

TV5 - Deutschland
Imke Salzmann / Laurence Bervas
Schackstra�e 2
D-80539 M�nchen
Tel.: (089) 380 179 24
Fax: (089) 380 179 11
E-mail: [email protected]
Abonnement per Internet unter: http://www.tv5.org
La lettre mensuelle de TV5 beinhaltet das jeweilige Fernsehprogramm mit Hinweisen und Erl�uterungen zu bestimmten Sendungen sowie Informationen �ber Wettbewerbe und Spiele auf TV5. La lettre p�dagogique du CAVILAM stellt den Lehrenden p�dagogische Bl�tter zu besonderen TV5-Sendungen zum Einsatz im Unterricht zur Verf�gung.

�ber die Links der Internetst�tte von TV5 haben� Lehrende und Lernende zudem Zugang zu folgenden Rubriken: La grille des programmes de la semaine, La grille de la semaine prochaine, � voir absolument, Images de pub, TV5 Magazine, TV5 Musique, Carnet d'adresses, Apprendre et enseigner, Pr�sentation des �missions, Langue fran�aise, Fiches p�dagogiques, Bibliographie,� Correspondances, Liste de diffusion, Forum de discussion et dialogues en direct (chat).

Schlie�lich m�chten wir noch ein besonderes Augenmerk auf Funambule richten, eine seit Februar 1998 w�chentlich mittwochs um 8.30 Uhr ausgestrahlte Sendung von 26 Minuten Dauer, zu der TV5 �ber seine Internetst�tte ein komplexes multimediales Dossier zur Informationsaufnahme, -verarbeitung und -bewertung mit Bildern, Videosequenzen und zahlreichen interaktiven �bungen mit Selbstevaluation zur Verf�gung stellt. Funambule befindet sich wie Thalassa, Outremers oder Bons baisers d'Am�rique unter der Rubrik der �missions de d�couverte sur les r�gions du monde und baut sich peripher um einen zentralen Begriff der franz�ischen Sprache auf, der durch Reportagen und Portr�ts �ber L�nder, V�lker und Personen aus der ganzen Welt facettenreich illustriert wird.

Die f�nf bis sechs Unterthemen, die pro Sendung in netzwerkartiger Verbindung thematisiert werden, fokussieren sich immer auf konkrete, einfache Situationen, die den Beobachter auf seiner kulturellen, gesellschaftlichen oder geographischen Reise pers�nlich ergreifen sollen, um ihn nach Horazschem Vorbild sowohl zu unterhalten als auch zu belehren (delectare et prodesse).

TV5 - Das Fremde als Katalysator des Eigenen und Anlass zur transkulturellen Kommunikation

Seit den 80er Jahren wird die Fremdsprachendidaktik von der Diskussion um die Erfassung und Beschreibung von Interkulturalit�t, Transkulturalit�t, transnationaler und transkultureller Kommunikationsf�higkeit durchdrungen (Minuth 1997:201), und auch die neuen Lehrpl�ne f�r Franz�sisch auf der Oberstufe tragen dieser Entwicklung, meistens gekoppelt an die Forderung nach Auspr�gung von Medienkompetenz, Rechnung. Neben der zunehmenden Verschmelzung der Telekommunikationsmedien Radio, Fernsehen, Film, Video, e-mail und Telefon mit dem Computer bieten die zur Fremdheitserziehung eingesetzten und teilweise didaktisierten Fernsehsendungen von TV5, insbesondere durch ihre multimediale Verbindung mit dem Internet, eine unterrichtspraktische Synthese aus Medienp�dagogik und interkultureller Erziehung.

Auf dem Hintergrund eigener individueller und kollektiver Sozialisationserfahrungen, die h�ufig als stereotypisierende Vorurteile den Zugang zum anderen Partner und seiner Kultur versperren (Minuth 1997:201), bieten die Sendungen von TV5 Anl�sse zur Wahrnehmung, Interpretation und Wertung fremdkultureller Bedeutungen und werden somit zum Katalysator des Eigenverstehens, das sich in der Auseinandersetzung mit dem Fremden herausbildet. Die Fernsehsendungen in der Zielspache erweisen sich dadurch als eine Form der Begegnung mit dem Fremden in einer telekommunikativ zusammenr�ckenden Welt. Die Erfahrung des Anderen wird in der Auseinandersetzung mit dem Bekannten individuell erlebt, �berpr�ft und vom beobachtenden Lerner subjektiv verarbeitet.

Genauso wenig wie B�cher Wissen enthalten, sondern lediglich Anl�sse zur Wissenskonstruktion, transportieren auch Medien keine fertigen Informationen oder Bilder, sondern nur mustergepr�gte Zeichenketten als konventionalisierte Anl�sse f�r individuelle Sinnkonstruktion (Schmidt 1994:615). Wir wollen an dieser Stelle nicht die Positionen der erkenntnistheoretischen Kognitionstheorie des radikalen Konstruktivismus und ihrer didaktischen Implikationen f�r die Lerntheorie wiederholen (Overmann 2000a/b), betonen aber mit Schmidt die fundamentale p�dagogische M�glichkeit der Instrumentalisierung der Medien f�r den intersubjektiven Kognitionsprozess. Die Relevanz der neuen Technologien f�r den Fremdsprachenunterricht (2) besteht gerade darin, individuelle Lernprozesse variationsreich anzuregen und zu f�rdern und die Gestaltung der Wissenskonstruktion durch Lernerzentriertheit zu erleichtern.

Dabei ist der Zugang zum Fremden und die individuelle Wirklichkeitskonstruktion nicht prim�r ein kognitives, sondern vielmehr ein emotionales Problem, das den Lerner in seiner Ganzheitlichkeit erfasst. Medien, die M�glichkeiten zur Wirklichkeitserfindung und Sinnproduktion darstellen, bieten den Lernern in permanenter Interaktion mit der Welt als Makroprozess der Sozialisation Anl�sse, um ihre eigenen Wirklichkeitskonstruktionen zu viabilisieren, d.h. um Invarianzen zu entwickeln, die durch soziale Kontrolle auf ihre Koh�renz hin �berpr�ft werden.

Das Fernsehen wird f�r die Lernenden zur Aufarbeitung von Fremdbildern instrumentalisiert, indem der Blick f�r das Fremde vor der eigenen Haust�r gesch�rft wird. Es handelt sich darum, unsere Wirklichkeitsentw�rfe immer wieder an denen anderer zu �berpr�fen, denn die Ann�herung an das Fremde wird erst durch die Ver�nderung der eigenen Sozialisationsbiographie erreicht. Durch den Einsatz von authentischen Fernsehmaterialien in der Fremdsprache wird das Verst�ndnis von anderskulturell sozialisierten Menschen in besonderem Ma�e gef�rdert, da die Reflexion �ber das Fremde r�ckbez�glich zur Ver�nderung der Einstellungen zur eigenen Kultur f�hrt. Die Forderung nach Toleranz wird� letztlich durch die Sartresche Feststellung begr�ndet, dass die Grenzen der Wahrheit in der Wahrheitskonzeption der Anderen liegen.

Holistische Mediendidaktik der Authentizit�t und Aktualit�t

Eine Sprache lernen bedeutet, ihr so oft wie m�glich zu begegnen, und wenn nur eben m�glich in authentischen Situationen. Es bedeutet, den Wunsch zu verp�ren, neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, um sich dem Fremden und Unbekannten zu n�heren (Boiron 1998:21).

Fernsehen im Unterricht, nicht verstanden als vorbereitungsarme Besch�ftigungstherapie, passiver Konsum oder resignativer Einsatz zur Ruhigstellung verhaltensauff�lliger Lerngruppen, f�rdert die Verlebendigung des Sprachenlernens durch die Ver�nderung der traditionellen Lernsituationen und f�gt einen weiteren Legostein in Richtung auf die in der heutigen Didaktik geforderten �ffnung des Klassenzimmers hinzu. Die authentischen und aktuellen Materialien aktivieren durch ihre multiplen Anreizstrukturen nicht nur die Ganzheitlichkeit der Wahrnehmung mit allen Sinnen, sondern durch vielf�ltige lernerorientierte Sprechanl�sse auch einen produkt- und handlungsorientierten Unterricht.

Die Sendungen von TV5 l�sen eine Reihen von Aktivit�ten aus, die f�r die m�ndliche und schriftliche Kommunikation herangezogen werden k�nnen und sich an alle Lerner richten. Die Lernziele werden dabei nicht durch den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Sendungen festgelegt, sondern durch die p�dagogischen Aufgaben, welche die Lerner mit den authentischen Materialien verbinden sollen. So kann zum Beispiel das gemeinsame Betrachten des Wetterberichtes, das Anf�nger und auch viele Fortgeschrittene sprachlich v�llig �berfordern w�rd, zum Anlass genommen werden, um Zahlen, L�nder oder St�dte aus einem anderen Blickwinkel zu versprachlichen oder geographisch zuzuordnen.

Die erfolgreiche Integration kognitiver und affektiver Lehr- und Lernprozesse durch mehrkanaliges Lernen f�hrt bei den Lernern zur Aktivierung von Lernkapazit�ten, zu affektiver Resonanz, Interesse, innerer Beteiligung, Spannung und Motivation. Die Hyperthrophie eines rein kognitiv, grammatikalisch ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts, der nach Freudenstein auch heute immer noch vorzuwiegen scheint (1995:155), erf�hrt durch den Einsatz des Mediums Fernsehen daher zumindest phasenweise eine Korrektur.

Im Rahmen einer Didaktik der Aktualit�t und Authentizit�t fordert Dominique Martineau de transformer la classe en un lieu �v�nementiel, de donner � la langue cible un v�ritabel statut de langue vivante, actuelle, en mouvement, pr�sente dans les m�dias. (1998b:89) Der schulische Sprachwerwerb soll nicht l�nger nur ein Vorwand zum Erlernen von Lexik und grammatikalischen Strukturen sein, da die didaktische Segmentierung der Zielsprache zu einem demotivierenden Verlust an authentischer Situativit�t und sprachlicher Eindrucksvielfalt f�hren kann. Durch das Fehlen nat�rlicher Sprachnutzungsmuster in ausreichender Varianz und von Inhalten mit tats�chlicher sozialer Relevanz wird das Mitteilungsbed�rfnis der Lerner nur wenig angeregt, der pragmatisch-funktionale sowie extraverbale Wissenserwerb bleibt gering und die demotivierende Asymmetrie von Redeanteilen bleibt bestehen. (Overmann 2000b)

Wir wollen nicht dar�ber hinwegt�uschen, dass die Lerner bei der Betrachtung einer Fernsehsendung breite Bereiche der sprachlichen Kommunikation nicht identifizieren k�nnen, allein mag sowohl die Intention ein Fehler sein, alles verstehen zu wollen, als auch der Glaube, dass in einer authentischen Kommunikationssituation die Nachricht des Senders prim�r verbal vermittelt werde. Im Gegenteil, beim Einsatz audiovisueller Materialien scheint die Fokussierung auf die Dekodierung der sprachlichen Zeichen eher ein Defizit darzustellen, da die nicht-verbalen, aber ebenso wesentlichen Informatonstr�ger (Kinetik)� wie Gestik, Mimik, Ger�usche, Stimmen, Intonationen, Musik, Bewegung usw. kaum mehr wahrgenommen werden.

Nun ist aber nicht nur die verbale Sprache ein Medium sozialen Handelns, sondern alle anderen von einem Sujekt wahrgenommenen Faktoren erweisen sich ebenfalls als integrativer Bestandteil der kommunikativen Situation. Visuelle und auditive Signale in Form von Bildern oder T�nen sind nicht nur Komplemente der verbalen �u�erung, sondern konstituieren durch ihre Eigenart erst Verstehen. Dar�ber hinaus f�rdern sie in� Verbindung mit sprachlichen Zeichen in der� ganzheitlichen Kommunikation die Memorisierung von Wissen und steigern insbesondere probleml�sende Kognitionsprozesse (3).

Das Fundamentum des audiovisuellen Konzepts basiert nach Boiron (1998:21) auf der Annahme, dass die linguistische Information in einer Kommunikationssituation nur einen geringen Anteil an der Botschaft einer Aussage hat und die Lerner daher auf jedem Sprachniveau mit authentischen audiovisuellen Materialien arbeiten k�nnen.

Die kommunikative Bedeutung der einzelnen Sinne wird sich jeder anschaulich vor Augen f�hren k�nnen, der einmal mit Grenouille durch S�skinds olfaktorisches Universum oder mit dem Musiker Johannes Elias Alder in Robert Schneiders Schlafes Bruder durch die Welt der T�ne gereist ist. Warum sollte aber eine emotionale Neuorientierung des h�ufig zu kopflastigen Unterrichts sich nicht die Sinnenvielfalt der Lerner beim Sprachenlernen zu Nutze machen, um dem Fremden durch das verstehende Mineinander-in-Bezug-setzen von Bekanntem und Unbekanntem mit allen Sinnen zu begegnen, zumal das Plastizit�tspostulat der neueren Gehirnforschung die Vernetzung der Gehirnh�lften mit dem lymbischen System als Voraussetzung erfolgreichen Lernens statuiert hat.

Da der Lerner seine Welt selbstt�tig aufbaut und keine fertigen Informationen in Form der K�bel- oder Trichterheorie perzipiert, wird das Lernen dort ansetzen, wo Neues und Altes durch Wiedererkanntes mit pers�nlichem Interesse in Verbindung treten k�nnen, um neue Wirklichkeiten zu konstruieren, d.h. neues Wissen an Vorwissen anzukoppeln. Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang die Konstruktion bedeutungshaltiger Bez�ge zwischen Wiedererkanntem und Neuem.

Bei der Erstbegegnung mit einer Fernsehsendung wird der Lerner nur wenig des sprachlichen Materials wiedererkennen, allein die non-verbalen visuellen und auditiven Informationstr�ger werden im allgemeinen ausreichen, um emotionale Bez�ge und damit Aufmerksamkeit f�r das Neue zu erzielen. Der lernende Zuschauer konstruiert den Sinn nicht durch einzelne Segmente, sondern durch das Netz der Verbindungen der einzelnen Wahrnehmungen.

Damit der Lerner sich nicht durch das relative Nicht-Verstehen der� verbalen �berflutung in der Zielsprache demotiviert vom Erlebnisgegenstand abwendet, muss bei der Didaktisierung von audiovisuellen Sequenzen darauf geachtet werden, dass die Wahrnehmungsrichtung sich zun�chst nicht auf die Zielspache richtet, d.h. den am wenigsten vert�ndlichen Teil der Nachricht. Die Aufmerksamkeit des aktiven Rezipienten muss vielmehr auf alle anderen Sinntr�ger fokussiert werden, die es ihm auf der Grundlage seiner Vorkenntnisse erm�glichen, durch genaue Beobachtung, Kombinationsgabe, Antizipationstechniken, Hypothesenbildung, das Aufsp�ren von Bez�gen und Zusammenh�ngen sowie der Interpretation der Bilder und Musik ganzheitlich Sinn zu konstruieren (4).

Die mit der nicht didaktisch gefilterten authentischen stofflichen Umwelt verbundene Komplexit�t darf nicht als Makel oder Obstakel gedeutet werden, sondern bietet in positivem Sinne nicht nur eine gr��ere emotionale und assoziativ-individuelle Ankn�pfungsm�glichkeit an Bekanntes, sondern auch vielf�ltigere Handlungsimplikationen f�r eine lebensbezogene Anwendung des Erfahrenen. Je anregungsreicher und polyvalenter sich eine Lernumgebung in ihrem Relationsbereich gestaltet, desto erfolgreicher und individueller wird sich der Lernprozess gestalten.

Der Lernende muss auf der Grundlage seiner aktuellen Vorkenntnisse und Weltsicht Mut zur L�cke entwickeln, um vom Vertrauten zum Neuen und vom Bekannten zum Unbekannten und Fremden vorzudringen. Dies kann er aber nur leisten, wenn das Nicht-Verstehen gelernt wird, n�mlich der Verzicht darauf, die Komplexit�t im Detail verstehen zu wollen. Die einzelnen Filmsequenzen d�rfen daher nicht bis ins Deteil analysiert und mit dem Anspruch auf vollst�ndiges Verstehen verbunden werden. Wichtiger ist die systematische Heranf�hrung und Auseinandersetung mit den lebendigen Ereignissen und das Training der Authentizit�t als Vorbereitung auf den Aufenthalt in frankophonen L�ndern und die Begegnung mit dem Fremden. Nur wer sich zun�chst auf eine solche� minimalistische Verstehensdidaktik einl�sst, wird im frankophonen Ausland durch die Aufgabe eines falsch verstandenen Sprachperfektionismus gen�gend Pragmatismus und kinetische Kreativit�t entwickeln, um auf den Anderen zuzugehen und lebendig mit Fehlern zu kommunizieren.

Die audiovisuelle Wahrnehmung des Gebrauchs der fremden Sprache in authentischen Kommunikationssituationen fordert den Lerner in seiner ganzen Person, f�rdert die Anzahl mentaler Zust�nde, bereichert die semantischen Relationsstrukturen und koppelt das Sprachenlernen an reale Situationen. Das eigene Gef�hl der Fremdheit muss durch authentische Medien in die Lernsituationen integriert werden, um in der Wechselwirkung mit anderen Kulturen das Fremde erlebend zu antizipieren und Interkulturalit�t als Prozess der eigenen Sozialisation zu erfahren.

Anmerkungen
/1/ Eutelsat II F 6, 13o Ost
/2/ Vgl. dazu die zweiunddrei�ig guten Gr�nde f�r den Interneteinsatz im Franz�sischunterricht, in: Overmann 1999:208.
/3/ �ber die Auswirkungen von r�umlicher Bewegung und visueller Wahrnehmung in Verbindung mit Sprache vgl. Overmann 2000c.
/4/ Zur exemplarischen Didaktisierung einer Film- oder Videosequenz vgl. Overmann 2000d.

Bibliographie

Boiron, Michel (1998): Quelques id�es simples pour apprendre et enseigner avec TV5, in: Martineau 1998a:21-24.

Freudenstein, Reinhold (1999): Der Fremdsprachenunterricht mu� (immer noch) umkehren! In: Neusprachliche Mitteilungen 3:151-156.

Martineau, Dominique (1999): Apprendre et enseigner avec TV5: Nouveaut�s, in: Franz�sisch heute 3:375-376.
- (Hrsg.) (1998a): Apprendre et enseigner avec TV5.
- /Boiron, Michel (1998b): Apprendre et enseigner avec TV5, in: Franz�sisch heute 1:89-95.

Minuth, Christian (1997): Deine Muttersprache - Meine Fremdsprache. Ein Modell des Fremdverstehens, in: Mei�ner 1997:181-200.

Mei�ner, Franz-Joseph (Hrsg.) (1997): Interaktiver Fremdsprachenunterricht. Wege zu authentischer Kommunikation. Festschrift f�r Ludger Schiffler, T�bingen: Gunter Narr 1997.

Overmann, Manfred (1999): Lost in Cyberspace oder Gelehrsamkeit per Mausklick? Pl�doyer f�r den Interneteinsatz in einem autonomeren Franz�sischunterricht, in: Fremdsprachenunterricht� 3:208-210.
- (2000a): Konstruktivistische Prinzipien der Lerntheorie und ihre didaktischen Implikationen, elektronische Ver�ffentlichung unter: http://www.ub.uni-siegen.de/ext/overmann/baf5/5e.htm/
- (2000b): Der Internetfremdsprachenunterricht als Paradigma einer konstruktivistischen Didaktik, elektronische Ver�ffentlichung unter: http://www.ub.uni-siegen.de/ext /overmann/baf5/5f.htm
- (2000c): Multim�dia interactif et apprentissage multimodal, elektronische Ver�ffentlichung unter: http://www.ub.uni-siegen.de/ext /overmann/baf5/5h.htm
- (2000d): Travailler � partir d'une s�quence vid�o ou d'un film. Claude Chabrol: Au coeur du mensonge, elektronische Ver�ffentlichung unter:� http://www.ub.uni-siegen.de/ext /overmann/baf4

Schmidt, Siegfried J. (1994): Konstruktivismus in der Medienforschung: Konzepte, Kriterien, Konsequenzen, in: Merten, Klaus u. a. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einf�hrung in die Kommunikationswissenachft. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994:592-623.

Wendt, Michael (1997): Machen Medien Fremdes weniger fremd? Aspekte der Interaktion zwischen Massenmedien und ihren Benutzern, in: Mei�ner 1997:181-200.